🧼Warum wir im Deutschen „Seife sieden“ sagen – und was dahintersteckt
Wer in einem Seifenkurs bei Seifenmagie sitzt, stellt oft früher oder später die Frage: „Warum heißt das eigentlich ‚Seife sieden‘ – wir kochen doch gar nichts?“ Und tatsächlich: Wer mit modernen Rezepten im Kaltrührverfahren arbeitet, kommt mit dem Herd kaum noch in Berührung. Trotzdem ist der Begriff geblieben. Warum das so ist? Die Antwort liegt in einer faszinierenden Reise durch die Geschichte der Seifenherstellung, mit spannenden Einblicken in alte Rezepturen, Klostermedizin, arabische Innovationen und mittelalterliche Handwerkskunst. 🧼✨
🪨 Die ersten Seifen: Von Sumerern, Ägyptern & Römern
Bereits um 2800 v. Chr. ritzten die Sumerer in eine Keilschrift-Tafel ein Rezept mit Wasser, Asche und Öl – die vermutlich erste überlieferte Seifenmischung. Auch die alten Ägypter nutzten seifenähnliche Pasten mit Soda und Pflanzenasche zur Reinigung und Wundpflege. Bei den Römern dauerte es etwas länger, bis Seife zur Körperreinigung diente, sie übernahmen diese Technik von keltischen Völkern. Seife war also schon früh Teil der Menschheitsgeschichte, allerdings eher in medizinischem oder rituellem Kontext.
🔥 Aber wie macht man Lauge ohne NaOH?
Das ist die Frage, die viele sich heute stellen, denn Natriumhydroxid (NaOH), wie wir es in der heutigen Seifenküche benutzen, ist ein industriell hergestellter, hochreiner Stoff. Den gab es früher nicht.
Die Menschen damals stellten ihre Lauge auf natürlichem Weg her, meistens durch:
Holzasche, besonders aus Laubholz wie Buche, Birke oder Eiche. Die Asche wurde in ein Tuch oder Gefäß mit kleinen Löchern gegeben.
Wasser darüber gießen: Heißes oder kaltes Wasser wurde langsam über die Asche gegossen. Die Flüssigkeit, die unten herauskam, war eine Kalilauge (reich an Kaliumcarbonat, K₂CO₃).
Diese Lauge mit Fetten mischen – Zusammen mit tierischem Fett oder pflanzlichem Öl ergab das bei längerem Erhitzen eine weiche oder feste Seife.
💡 Je nachdem, ob man Kalium (aus Pflanzenasche) oder Natriumverbindungen (aus Meersalz, Soda oder mineralischen Quellen) nutzte, wurde die Seife eher weich oder hart.
👉 Für harte Seife wie die Savon de Marseille oder Aleppo-Seife wurde später bevorzugt Natriumcarbonat (Soda, Na₂CO₃) verwendet, z. B. durch das Kochen von Meerwasser mit bestimmten Pflanzen oder die Asche von salzhaltigen Pflanzen wie der Salzkraut-Art „Salsola“.
Die berühmte Aleppo-Seife
Die Aleppo-Seife aus Syrien gilt als eine der ältesten festen Seifen der Welt. Seit über 1000 Jahren wird sie nach einem sehr aufwendigen Verfahren hergestellt:
Hauptzutaten: Olivenöl, Lorbeeröl, Wasser & Lauge aus Soda
Die Mischung wird in riesigen Kesseln tagelang gekocht, dann auf dem Boden ausgegossen, mit Holzspateln geschnitten und monatelang luftgetrocknet.
Sie ist nicht nur ein Vorläufer der Marseille-Seife, sondern auch ein echtes Stück Seifengeschichte, das bis heute überlebt hat.
Die Savon de Marseille
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich im Süden Frankreichs, insbesondere rund um Marseille, eine eigene Seifentradition. Auch hier wurde nicht mit gekauftem NaOH gearbeitet, sondern mit einer selbst hergestellten Lauge:
Meerwasser wurde mit Soda (z. B. aus bestimmten Pflanzen oder aus salzhaltigen Ablagerungen) vermischt.
Die Seife wurde ebenfalls in Kupferkesseln gesiedet – oft über mehrere Tage hinweg.
Danach wurde sie gewaschen, ruhen gelassen, geschnitten und getrocknet.
Diese Methode nennt man „saponification à chaud“ – also Heißverseifung.
Die Seifensieder im Mittelalter
Mit der Zeit entwickelte sich aus dem Seifenmachen ein richtiger Beruf: der Seifensieder. Vor allem im Mittelalter war dieser Beruf sehr angesehen, schließlich war Seife teuer und nicht überall erhältlich. Viele Städte hatten eigene Seifensieder-Zünfte, die:
- die Qualität überwachten
- Zutaten vorschrieben
- die Ausbildung regelten
- nur Mitgliedern erlaubten, Seife herzustellen und zu verkaufen
Die Seifensieder arbeiteten oft mit Apothekern, Badern oder Alchimisten zusammen und verstanden sich auf die Kunst der Verseifung, auch wenn man sie noch nicht chemisch erklären konnte.
Und weil sie die Fette und Laugen damals wirklich kochen mussten, hieß es im Deutschen: Seife sieden.
❄️ Heute: Kaltrühren mit Wissen – aber die Sprache bleibt
Erst in der Neuzeit, etwa im 19. und 20. Jahrhundert, wurde Natriumhydroxid industriell hergestellt und allgemein verfügbar. Damit wurde die Kaltrührmethode möglich:
Man mischt NaOH mit Wasser, gibt es zu den Fetten, rührt, füllt in Formen, ganz ohne Kochen.
Diese Methode ist heute im DIY-Bereich und der Naturkosmetik weit verbreitet. Aber das Wort „sieden“ ist geblieben.
Warum sagen wir bis heute „sieden“?
Zum Abschluss lohnt ein Blick auf den Begriff „sieden“ selbst. Warum sprechen wir bis heute davon, Seife zu sieden, wo doch in modernen Hobbyküchen Seife oft im Kaltrührverfahren entsteht, ganz ohne zu kochen?
Der Ausdruck stammt aus der historischen Praxis: Früher war das Aufkochen von Fetten mit Lauge der zentrale Schritt der Seifenherstellung, ohne Feuer unterm Kessel entstand keine Seife. Daher prägte sich in der Sprache ein, Seife zu „sieden“, analog zum Salzsieden (Salz wurde durch das Sieden von Sole gewonnen) oder anderen Küchensieden.
Im Duden gilt diese Verwendung heute als veraltet, typisch belegt durch Wendungen wie „Salz, Seife sieden“. Doch im handwerklichen Sprachgebrauch hat sie überlebt: Die Berufsbezeichnung Seifensieder und der Zunftname bestehen fort, und selbst moderne Seifenmacher benutzen liebevoll den Begriff „Seifesieden“ für ihr Tun – als Verneigung vor der Tradition.
Spannend ist, dass „sieden“ zu den ältesten Verben der deutschen Sprache gehört. Es stammt vom althochdeutschen siodan, was schlicht „zum Kochen bringen“ bedeutete. Wenn also in einem historischen Rezept von gesottener Seife die Rede ist, meint das nichts anderes als gekochte Seife. Und weil Seife über Jahrhunderte durch echtes Kochen fabriziert wurde, hat sich diese Redewendung bis heute gehalten.
So erzählt schon der Begriff selbst ein Stück Geschichte: Er erinnert uns daran, dass Seifensieden einst ein heißes, brodelndes Handwerk war. Und vielleicht liegt gerade in diesem altmodischen Wort der besondere Charme, der viele Menschen heute wieder dazu bringt, in der eigenen Küche Seife zu sieden, ganz im Sinne der alten Meister. Auch wenn wir mittlerweile wissen, dass Sauberkeit keine Geheimwissenschaft mehr ist, bleibt doch eines gleich:
Ein gutes Stück Seife entsteht immer noch aus der liebevollen Mischung von Fett und Lauge, ob gesiedet oder gerührt und genau darin liegt ihre zeitlose Magie. 💛🧼
Fazit: Ein sprachliches Erbe mit Geschichte
Auch wenn wir heute meist im Kaltrührverfahren arbeiten, erinnern uns Begriffe wie „Seife sieden“ an das alte Handwerk, das mit Feuer, Fett und Geduld betrieben wurde. Diese sprachlichen Spuren machen unser Hobby nicht nur reicher, sie zeigen auch, wie viel Geschichte, Magie und Wissen in einem einfachen Stück Seife stecken kann. 🧼✨
Quellen und weiterführende Informationen
Die Inhalte dieses Artikels wurden mit großer Sorgfalt recherchiert und in einer eigenen, blogtauglichen Sprache verfasst. Quellen wurden dabei paraphrasiert und thematisch eingeordnet. Bei Fragen zu konkreten Quellen oder Zitaten, melde dich gern direkt bei mir. 😊
Hier findest du eine Auswahl der genutzten Quellen zur Vertiefung:
Dieser Artikel wurde auf Basis vielfältiger Quellen und geschichtlicher Texte recherchiert und in eigenen Worten für den Blog von Seifenmagie aufbereitet. Dabei wurde darauf geachtet, keine Textabschnitte direkt zu übernehmen, sondern Inhalte frei formuliert, eingeordnet und zusammengefasst.
Hier findest du eine Auswahl der genutzten Quellen zur Vertiefung:
Wikipedia: Geschichte der Seife
Wikipedia: Savon de Marseille
Wikipedia: Aleppo-Seife
Duden: Bedeutung von „sieden“
Landesmuseum Württemberg: Hygiene und Körperpflege im Mittelalter
Seifenkultur.de: Historische Entwicklung der Seife
LVR: Badekultur im Mittelalter
Seilnacht.de: Seife und Alchemie im Mittelalter
inforo1300.de: Badekultur im Mittelalter – Hygiene, Bäder, Seifenherstellung
Weitere Quellen aus wissenschaftlichen Archiven, musealen Texten und historischen Rezepturen wurden im Rahmen der Recherche berücksichtigt und inhaltlich eingeordnet.